Am 18. und 19. März 2011 fand in Wien das Kardinal-König-Symposion 2011 unter dem Titel „Was heißt heute „christlich“?“ statt.
Kardinal-König-Symposion in Wien stellte sich der Frage "Was heißt heute "christlich"?" - Verweis auf Glaubenszeugnis von Kardinal König und den Taize-Gründer Frere Roger
Wien, 20.03.2011 (KAP) Was gelebtes Christentum heute bedeutet, kann man nicht in Büchern lernen, sondern muss man an konkreten Menschen sehen. Das hat Kardinal Christoph Schönborn am Samstagabend bei einer ökumenischen Vesper in der Konzilsgedächtniskirche in Wien-Lainz betont. Er verwies auf das Lebens- und Glaubenszeugnis von Kardinal Franz König (1905-2004) und den Taize-Gründer Frere Roger (1915-2005), die eine tiefe Freundschaft verbunden hatte und die für viele Menschen, jung wie alt, große Vorbilder seien. Die Vesper, die von Schönborn gemeinsam mit der evangelischen Oberkirchenrätin Hannelore Reiner geleitet wurde, bildete den Abschluss des diesjährigen Kardinal-König-Symposions sowie des Taize-Treffens "Pilgerweg des Glaubens", zu dem Hunderte Jugendliche nach Wien gekommen waren.
Prof. Heinz Nußbaumer, Vizepräsident der Kardinal-König-Stiftung, stellte zu Beginn des Symposions am Samstagvormittag einen tiefen Vertrauensverlust gegenüber der Kirche fest. Mehr Realitätssinn und Menschennähe von Seiten der Kirche seien das Gebot der Stunde, so Nußbaumer. Dabei dürfe es nicht darum gehen, "rechte oder linke Kirchenflügel" zu bedienen, sondern das Gespräch mit der Welt und Gott zu intensivieren. Das Symposion stand unter dem Motto "Was heißt heute "christlich"?".
Der Wiener Weihbischof Helmut Krätzl unterstrich die Aufgabe der Christen, "Versöhnung vorzuleben und sich der Armen und Gescheiterten anzunehmen". Zu einem geglückten Leben können auch das Scheitern gehören, auf das ein von Gott geschenkter neuer Anfang folgt.
Der Wiener Mediziner und Theologe Prof. Matthias Beck stellte die Bedeutungslosigkeit des Christentums für weite Teile der Gesellschaft fest. Viele Menschen wüssten etwa nicht mehr, dass es sich bei den Menschenrechten oder dem Begriff der Menschenwürde um zentrale christliche Werte handle. Hier habe die Kirche eine Bringschuld und müsse darum ringen, als Gesprächspartner wieder ernst genommen zu werden, so Beck.
Auch Kurt Scholz, Mitglied der Unabhängigen Klasnic-Opferschutzkommission, nahm in seinem Vortrag die katholische Kirche in die Pflicht. Nach einer Vergangenheit, die von Wegschauen und Vertuschen geprägt war, müsse nun die konsequente Aufarbeitung folgen. Die Kirche befinde sich dabei auf einem guten Weg. Und immerhin sei die katholische Kirche die einzige große Organisation, "die tatsächlich etwas tut", so Scholz mit einem kritischen Seitenhieb in Richtung Regierung. Als Ursache für die Häufung der Missbrauchsfälle in der Kirche nannte Scholz die hermetische Abgeschlossenheit und den hierarchischen Aufbau.
Zum geplanten Volksbegehren, wonach Österreich in einen laizistischen Staat mit klarer Trennung zwischen Kirche und Staat umgewandelt werden soll, meinte Scholz, "dass unsere Gesellschaft dadurch sicher nicht besser sondern ärmer werden würde".
Dass der Einsatz gegen eine entsolidarisierte, demokratie- und fremdenfeindliche Gesellschaft zu den zentralen kirchlichen Herausforderungen der Zukunft gehört, war eine der Kernaussagen des Symposions. Die Pastoraltheologin Prof. Regina Polak skizzierte anhand der jüngsten Wertestudie zunehmende Tendenzen in Richtung Fremdenfeindlichkeit und Demokratieverdrossenheit. Zwar gebe es auch zahlreiche engagierte zivilgesellschaftliche Projekte - innerhalb wie außerhalb der Kirche -, die diesen Tendenzen gegensteuern würden, diese würden von der breiten Öffentlichkeit aber kaum wahrgenommen. Polak sah hier auch die Medien gefordert, diese Initiativen bekannter zu machen.
Die Journalistin Magdalena Rauscher-Weber räumte ein, dass Medien die Welt in erster Linie als Katastrophe wahrnehmen würden, zeigte zugleich aber doch auf Bemühungen auf, gesellschaftliche Vorkommnisse sachlich darzustellen.
Diakoniedirektor Michael Chalupka stellte fest, dass die Österreicher immer mehr Lebensbereiche einfach ausblenden wollten, weil diese unangenehm seien. Das sei etwa bei den aktuellen Bettelverboten der Fall oder auch bei den verschärften Schubhaft-Regelungen. Chalupka: "Wir wollen diese Menschen einfach nicht mehr sehen und schicken oder sperren sie weg." Hier sei es Aufgabe der Christen, vehement dagegen aufzutreten, so Chalupka.
Cecil Corti, die Leiterin der Obdachloseneinrichtung "Vinzi-Rast" in Wien, meinte über ihr Engagement, dass es ihr einfach darum gehe, menschlich zu handeln. Die Arbeit mit und für die Obdachlosen verlange totalen Einsatz, schenke zugleich aber auch tiefe Freude.
Auf den Aspekt, dass glaubwürdige Christen vor allem auch Freude ausstrahlen müssen, wiesen u.a. Taize-Prior Frere Alois und der Salzburger Theologe Prof. Clemens Sedmak hin. Die größte Armseeligkeit eines Menschen bestehe in der Unfähigkeit zur Freude, in Abgestumpftheit und Resignation, so Sedmak. Und der Taize-Prior fügte hinzu: "Gott will nicht, dass wir zum Leid auf der Welt auch noch unsere Trauer hinzugeben sondern unsere Liebe."
Das Symposion in Lainz wurde von der Kardinal-König-Stiftung, dem Kardinal-König-Haus und der Stiftung "Pro Oriente" organisiert. Aufgabe der jährlichen Kardinal-König-Symposien ist es, das Vermächtnis Franz Königs (1905-2004) wachzuhalten und sein Denken und Wirken für die Fragen von heute fruchtbar zu machen, "intellektuell, geistlich und in der konkreten Tat".
religion.ORF.at bietet die Vorträge als Video-on-Demand an.